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Melina – Mit Anlauf ins Chaos

Melina betrat den Garten der Cafeteria Braun und sah sich suchend um. Unweit von ihr saßen ihre beiden Freundinnen Tanja und Celeste, die die Blonde prompt gutgelaunt zu sich winkten. Die 27-jährige nahm Kurs auf den Vierertisch, begrüßte die beiden Mädchen, die sich nun von ihren Stühlen erhoben, mit herzlicher Umarmung. Aufseufzend ließ Melina sich auf einen der beiden noch freien Stühle fallen.
„Erzähl“, beugte Tanja sich leicht vor.
Melina schloss kurz die Augen, dann schüttelte sie leicht den Kopf: „Ich ziehe das Unglück scheinbar magisch an.“
„Ach, so ein Quark!“ beugte nun auch Celeste sich vor und stützte ihren Kopf auf ihre ineinander verschränkten Finger. Mit ihren drolligen Kulleraugen sah sie die vom Pech verfolgte, geplagte Freundin hoffnungsvoll an: „Du hast nun endlich Schluss gemacht?“
„Ja, ich hatte die Schnauze voll. Björn hat mich nur verarscht. Irgendwann ist genug.“
„Also hat er tatsächlich eine andere?“ wollte Tanja im nächsten Augenblick wissen.
Melina nickte nur und senkte beschämt den Blick.
„Und wie hast du es herausbekommen?“ beteiligte Celeste sich weiter an der Fragerunde.
„Lange dunkle Haare auf seinem Shirt, der Duft eines weiblichen Parfums an seinen Klamotten, dazu sein seltsames Verhalten in letzter Zeit…“
„Und? Hast du eine Bombe hochgehen lassen?“ wollte Tanja wissen.
Die Blonde warf ihre schulterlangen, naturgewellten Haare zurück. Dann sah sie abwechselnd zu der einen und zu der anderen Freundin, ehe sie süffisant eröffnete: „Als er nicht da war, bin ich wie ein tasmanischer Teufel durch seine Wohnung gefegt und habe erst einmal für ein mittelschweres Chaos gesorgt. Natürlich keine Verwüstung im üblichen Sinne, die man auf den ersten Blick erkennt…“
Die beiden Zuhörerinnen rissen ihre Hände hoch und applaudierten begeistert. „Richtig so, und weiter?“
„Ich habe seine sauberen Sachen aus dem Schrank genommen und alle mit Nutella und Marmelade beschmiert, so dass er nun nix Sauberes mehr zum Anziehen hat. Natürlich hab ich dann alles wieder in den Schrank gestopft. Dann hab ich seine Waschmaschine mit pinkfarbenen Färbetabletten gespickt – damit er künftig statt seiner blendend weißen Hosen und Shirts endlich mal etwas farbenfroher angezogen durchs Leben laufen kann…“
Die Mädchen sahen sich an und kicherten. „Alter Schwede!“ erklang es im Chor.
„Sein Bett… wie soll ich sagen…“ – Neugierig waren die Augen der Mädchen auf Melinas Lippen gerichtet. – „Seine Matratze hat sich ein bisschen mit Cola-Light vollgesaugt. So mit etwa neun oder zehn Litern. Genau weiß ich es jetzt nicht mehr – der Kasten war jedenfalls hinterher leer…“
„Aber man sieht es nicht sofort, oder?“
„Wo denkst du hin?“ sah Melina Tanja entrüstet an. „Hab ich alles ganz ordentlich wieder zugedeckt.“
„Das war aber noch nicht alles, oder?“ hakte Tanja nach.
„Ich habe seinen Kaffee versalzen und noch diverse andere Genussmittel ebenfalls“, setzte Melina mit gedämpfter Stimme fort. „In seinen Eiweiß-Shakes schwimmt jetzt mindestens eine Tonne Chillipulver, der Kühlschrank ist auf Abtauen eingestellt, sein Duschbad enthält Juckpulver, sein Aftershave stinkt irgendwie extrem nach Knoblauch…“
Tanja lachte auf. „Ich kann nicht mehr“, prustete sie. „Da hat unsere Madame ja wirklich ganze Arbeit geleistet…“
„Mich verarscht der nie wieder!“ gab Melina boshaft zurück.
„Fraglich, ob der sich überhaupt noch mal traut, wen zu verarschen“, klinkte Celeste sich wieder ein.
Melina winkte ab. „Ach, wenn der sein Chaos beseitigt hat, geht das Spiel von vorne los. Die junge Dame, die er jetzt gerade am Start hat, wird auch wieder nur eine von mehreren sein.“
„Das fürchte ich allerdings auch“, stimmte Tanja ihr zu und strich sich durch ihren frechen schwarz-roten Kurzhaarschnitt.
Vier Monate lang hatte Melina geglaubt, sie sei Björns große Liebe. Beinahe wäre sie sogar bei ihm eingezogen, was er im letzten Moment gerade noch zu verhindern gewusst hatte. Das wiederum hatte Melinas ohnehin schon vorhandenes Misstrauen nur noch mehr geschürt. Langsam fragte sie sich, was sie geritten hatte, sich überhaupt erst auf diesen Schnösel einzulassen.

Gerade, als sie das Glas zur Hand nahm und an dem Strohhalm zog, wurde draußen vor dem Café auf der Straße ein dumpfes Brummen lauter. Die Köpfe der Mädchen drehten sich in Richtung Straße, wo gerade nacheinander vier Harleys anhielten und nebeneinander auf dem breiten Bürgersteig einparkten. Typen vom Wolfheimer Motorradclub. Ihnen eilte nicht gerade der freundlichste Ruf voraus. Man erzählte sich, dass dieser Club dafür bekannt war, nur allzu gern Unfrieden zu stiften. Ganz davon abgesehen, dass jeder im Café die Herren gerade anstarrte, als seien sie Außerirdische mit unheimlicher Mission. Melina amüsierte sich insgeheim darüber. Sie kannte keinen der Männer, die nun direkt ins Café einfielen und sich gleichfalls an einem der Tische im Garten niederließen. Weit genug von den Mädchen entfernt, so dass sie nicht hören konnten, worüber Mann sich unterhielt. Doch nicht weit genug fort, um von den Herren nicht sofort auf anzügliche Art in Augenschein genommen zu werden.
„Fleischbeschau“, bemerkte Tanja leise. Sie war es gewohnt, dass man ihre Oberweite anstarrte. Wer hat, der hat – pflegte sie dann immer zu sagen.
„Die sollen sich ein Schnitzel bestellen und das anstarren“, entgegnete Melina leise und zog wieder an ihrem Strohhalm. Celestes Blick schien eingefroren, scheinbar wollte sie mit dieser Meute nichts zu tun haben. Krampfhaft konzentrierte sie sich auf ihre Cola.
„Bleib mal locker“, flüsterte Melina ihrer Nachbarin zu, wobei sie eine Hand auf die von Celeste legte. „Die bellen nur. Und Hunde, die bellen, beißen nicht – zumindest keine süßen, arglosen Mädels…“
„Wölfe“, berichtigte Celeste leise.
„Egal“, grinste Melina nur. Sie hatte keine Angst vor diesen Typen, die sich scheinbar gerade alle bei der Bedienung ein Bier orderten. Die Kellnerin wies freundlich auf die Motorräder und schüttelte bedauernd den Kopf.
Mutiges Mädchen, dachte Melina für sich und grinste immer noch leicht.
Tatsächlich brachte die Kellnerin jedoch knapp fünf Minuten später vier Flaschen Bier zu der Männerrunde. Und es sah nicht so aus, als würde das Wort „alkoholfrei“ auf den Flaschen stehen.
„Rabauken“, murmelte Melina mehr für sich. Da merkte sie, dass einer der Vier wie zufällig zu ihr herüber schaute. Er nahm sein Bier, lehnte sich zurück und musterte sie nun ungeniert.
Dunkle, kurze Locken, beinahe kindlich niedliches Gesicht, versteckt unter einem Hauch dunkler Bartstoppeln, ein Blick aus drolligen Augen. Er schien der Jüngste unter den Vieren zu sein, obgleich der Dreitagebart ihn etwas älter erscheinen ließ.
Melina wandte sich ihren Freundinnen wieder zu. Beinahe demonstrativ erkundigte sie sich nun bei den Mädels nach dem Wann und Wie des heutigen Abendgeschehens. Nebenbei schlürfte sie ihr Getränk. Dieser Sunnyboy sollte ja nicht denken, dass er sie in irgendeiner Form irritierte oder gar interessierte…

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